10. April – Entschiedenheit (Karfreitag)
Bibelstellen Joh 18,1-40; 19,1-42
Vor genau 18 Jahren in der «Allgemeinen Frankfurter Zeitung» war ein grosser Artikel. Auf der ersten Seite war ein Mensch mit ausgestreckten Armen abgebildet, der in seiner Haltung an den Gekreuzigten erinnerte. Darüber stand die Überschrift: «Das Entweder-oder-Zeitalter ist vorbei. Das alles-ist-möglich-Zeitalter ist da. Willkommen im 21. Jahrhundert».
Wir feiern Karfreitag. Ein Mensch, gezeichnet von Schwäche und Not, von Angst und doch von unglaublicher Entschiedenheit. Warum geht er diesen Weg. Er geht diesen Weg aus Passion, aus Leidenschaft für den Menschen. Er geht diesen Weg, weil er den Menschen erlösen und befreien will.
Es ist die Botschaft der Liebe Gottes, die ohne Ende ist. Es ist die Botschaft von Frieden und Gerechtigkeit für alle, weil jeder Mensch es wert ist geliebt zu sein. Jesus hat sich entschieden. Er könnte den bitteren Konsequenzen aus dem Weg gehen. Aber er tut es nicht. Und er zeigt dadurch: Manchmal ist unsere Entscheidung gefordert.
Manchmal gibt es nur «Ja und Nein». Es gibt nichts dazwischen, weil es keine Kompromisse gibt, wenn es um die Liebe Gottes geht. Das ist der Hintergrund des grossen Artikels der Zeitung: «Das Entweder-oder-Zeitalter ist vorbei. Das alles-ist-möglich-Zeitalter ist da. Willkommen in 21. Jahrhundert». Alles ist möglich. Es gibt keine Grenze. Wir müssen uns für nichts entscheiden. Ist das wirklich so?
Ich glaube, dass diese Sätze zeigen, woran unser Jahrhundert leidet. Wir leiden an Selbstüberschätzung und an Selbstüberforderung. Wir feiern Jesus Christus, der sich für uns entscheidet, für unsere Grenzen, für unsere Endlichkeit. In seinem Tod dürfen wir alle unsere Begrenzungen aufgehoben wissen, alle Situationen, in denen wir Ja sagen müssen zu unserem Scheitern, zu unserem Unvermögen, zu unserer Heillosigkeit.
Wir sollen uns nicht einreden lassen, dass dies nicht zum Menschen gehört. Denn es gehört zu uns ganz grundlegend. Alles andere wäre unmenschlich. Und deshalb: Erlösung fängt dort an, wo wir Platz machen für Menschen in Grenzsituationen und für uns selbst, wo wir nicht mehr können. Erlösung fängt dort an, wo wir das Menschenmögliche tun und das Menschenunmögliche aus der Hand geben.
Wir dürfen zugeben: Es ist für uns nicht alles möglich, besonders das spüren wir in dieser Zeit. Menschenmachbar ist das Leben nicht. Es ruht in Gottes Hand. Ihm sind wir zutiefst ausgeliefert im Leben und im Sterben. Nur wenn diese Wirklichkeit in der Tiefe unseres Herzens ankommt, nur, wenn wir schmerzlich und auch heilsam spüren, dass unsere Erlösung noch aussteht, weil wir uns selbst nichts schenken können, nur dann kann etwas aufscheinen von der ganz grossen Wende, die uns geschenkt wird an Ostern.
Denn dann, wenn jemand das unmögliche möglich machen kann, wenn jemand die Grenzen aufhebt und die Erlösung ausruft, dann kann das kein Mensch sein. Dann kann das nur Gott selbst sein. Auch im 21 Jahrhundert.
Petre Karmazichev