1. Mai – Marienmonat

«Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt,
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.»
(Novalis)
Liebe Maria
Lange habe ich mich schwer getan mit dir. Auf den Bildern wirst du oft so süsslich-romantisch und auch ein wenig naiv dargestellt. Dabei stelle ich mir dein Leben gar nicht so vor. Sicher warst du nicht auf Rosen gebettet – ein junges Mädchen, vielleicht vierzehn, fünfzehn Jahre alt, schwanger und ohne Ehemann. Aber dein Glaube hat dich getragen, sonst hättest du dich wohl kaum auf Gottes Plan einlassen können. Trotzdem hattest du wohl auch Ängste und Zweifel – schliesslich warst du auch nur Mensch.
Und dann, als dein Sohn älter wurde. Da warst du sicher nicht nur begeistert von dem Weg den er eingeschlagen hat. Sicher hast du dir im Dorf manchen blöden Spruch anhören müssen, weil Jesus nicht so war, wie alle anderen und nicht getan hat was «man» halt normalerweise tut. Sein Lebensstil war riskant und die Sorgen der Mütter hören ja nicht auf, nur weil die Kinder gross sind. Sicher hattest du oft Angst um deinen Sohn und hast Gott um seinen Schutz gebeten.
Vielleicht hat es dich auch ab und zu verletzt, dass Jesus an manchen Stellen so abweisend war und dich und seine Geschwister vor der Tür hat stehen lassen, während er mit Fremden und Sündern Gemeinschaft pflegte. Hast du verstanden was er da tat? Hat dir die Prophezeiung des Engels und der Weisen aus dem Morgenland von damals geholfen, seine Bestimmung anzunehmen.
Als Nicht-Mutter, kann ich mir nicht vorstellen, was du gefühlt haben musst, als dein Sohn am Kreuz gestorben ist. Aber es macht dich für mich zu einer Verbündeten mit allen Menschen die Leiden und Trauern. Und ich stelle mir vor, dass du dich stark und kämpferisch dem Unrecht und der Not in der Welt entgegenstellst. Du bist nicht weggelaufen vom Kreuz und hast dich in deinem Schmerz gar noch den Freunden deines Sohnes angenommen. Du bist deinen Weg gegangen mit dem Segen Gottes.
Eine starke Frau – das bist du für mich im Lauf der Jahre geworden, eine Schwester und Freundin. Mich interessiert was du zu sagen hast.
Liebe Maria, jetzt im Mai werde ich besonders an dich denken.
Jacqueline Meier